10.-11.05.2014 102km/2800hm ca. 21h
Es war ein absoluter Zufall, dass ich von dieser Wanderung hörte. Die Erwähnung des Ahrsteiges in Kombination mit „Am Stück“ weckte jedoch sofort Interesse und ich wollte trotz des nur eine Woche später stattfindenden Marathons mit. Nach Kontakt zum Organisator Klaus Angel (www.ahr.de) stand wenige Tage vor der Aktion auch die Anmeldung. Es konnte los gehen!
„Samstagmorgenspaziergang“
….meinten Jugendliche, auf Fahrrädern an uns vorbei sausend. Nun, so sah es auch aus – zwanzig Personen in bunter Wanderkleidung, die gemütlich dem ersten Anstieg entgegen spazierten. Unwillkürlich steigerten Peter und ich den Gang: Nicht zum Spazieren wurden wir gerade von der stellvertretender Bürgermeisterin geschickt, sondern gefühlt auf eine kleine Expedition. Denn das ganze Vorhaben war selbst für diejenige, die Langstreckenerfahrung mitbrachten, noch nicht überschaubar und durchaus Respekt einflößend; von denen, die es zum ersten Mal wagten, ganz zu schweigen.
Die Ahr beginnt in der Eifel, im Ortskern von Blankenheim. Gute 85km lang bahnt sich der anfangs zarte Rinnsal den Weg durch das hügelige Land bis er, inzwischen ein beachtlicher Fluss, sich bei Sinzig dem Rhein anschließt. Die wundervolle Verwandlung erleben Radfahrer am nächsten: Der Ahrtalweg führt sie fast eben von der Quelle zur Mündung. Weintrinker kommen auf dem Rotweinwanderweg auf ihre Kosten und den klassischen Wanderern steht seit 2012 der hervorragend markierte, eher durch Seitentäler und über Hügel verlaufender Ahrsteig zur Verfügung.
Am Freilinger See wurde die erste Pause eingelegt. Der Versorgungsbus brachte unsere vorbereiteten Taschen und Klaus Angel, Organisator, erkundigte sich nach dem Wohlbefinden der Teilnehmer. Hier bekamen wir auch den Freibrief, weiter eigenes Tempo zu gehen – in einer so großen Gruppe über viele Kilometer zusammen zu bleiben, würde einige sicher den Finish kosten. Leichtfüßig und froh über die Bewegung ging es weiter. Damit es morgen früh (vielleicht) genauso locker aussieht, sollten wir uns jetzt beeilen, deswegen trennten Peter und ich uns von der Gruppe und hielten die zügigen, aber noch angenehmen 6,5 km/h. Das Wetter blieb bedeckt, aber trocken, wir machten gut Strecke und waren bald wieder am Versorgungsbus – in Eichenbach.
Weiter ging es nett, aber wenig spektakulär durch Wälder und Täler, über baumlose Kuppen und breite Feldwege in Richtung Insul. Hier, nach insgesamt gut 40km, nutzten wir die Gelegenheit, uns gut zu stärken und ein wenig zu dehnen – so langsam spürte man die zurück gelegte Strecke und auch die ersten Wehwehchen waren den Gesichtern der Teilnehmer zu entlocken. Ich selber konnte mich bisher aber nicht beschweren.
„An der Ahr regnet es nie“
…doch scheinbar ging es uns zu gut, also hat es doch angefangen zu regnen. Anfangs nur ein leichter Nieselregen, dann kamen kalter Wind und Nebel dazu. Und irgendwann schüttete es richtig.
Der absolute Höhe- bzw. Tiefpunkt der Tour sollte die Linder Krippenkapelle ca. bei Kilometer 54 werden. Einige Kilometer davor erwischte uns Sturzregen mit Wind; man sah nichts, war durchnässt bis auf die Knochen und vermochte an den bevorstehenden Weg – und die Nacht – gar nicht zu denken. Frierend kämpften wir uns zum Treffpunkt mit dem Versorgungsminibus durch, zogen klatschnasse Kapuzen übers Gesicht und versuchten nasse Füße zu ignorieren. Ich erinnerte mich dabei an Wibolt letztes Jahr und freute mich, dass es diesmal nur 100km werden. Als kleine Belohnung gab es eine unbeschreibliche, gespenstische Lichtstimmung als die tief stehende Sonne den Regen und Nebel diffus ausleuchtete – solche Augenblicke sind weder zu beschreiben noch zu fotografieren (nass!) – sie muss man erlebt haben!
Die Kapelle war abgeschlossen, hatte jedoch einen Dachüberhang zum Drunterstellen. Nach und nach kamen durchnässte, frierende Wanderer an; für einige war dies die letzte Station. Alle zogen sich um und hofften, dass es nicht mehr so regnet – zum Glück wurden diese Bitten gehört. Trotzdem war dies der eindeutige Stimmungstief – müde und kalt mussten wir nun in die Nacht hinein.
An der Kapelle zog ich mich komplett um und gönnte mir ein Glas Wein – viel mehr konnte nicht schief gehen, jetzt durfte man also genießen. Auch die anderen ließen es sich nicht nehmen, im letzten Tageslicht unter dem kleinen Regenschutz an der verschlossenen Kapelle den guten Ahrwein zu probieren. Die Nacht konnte kommen!
Langsam ließ der Regen nach. Dunkelheit verschluckte die Wege, meine Zeit begann. Eine Art Flow stellte sich ein, die Kilometer verschwanden. Besonders die gut zu gehenden Ahrsteig-Verbindungswege ließen wir schnell hinter uns, aber auch den flachen, aber schönen Ahrtalweg.
In Dernau wartete eine Überraschung auf uns: Heißer Kaffee! Mitten in der Nacht (da ich ohne Uhr ging und die Kilometer nur grob überblickte, weiß ich nur kaum, wann was war) war das sehr angenehm! Es war trocken, aber kühl und ich benötigte mehr Kleidung, als beim Ultra im letzten November, freute mich also sehr über diese Stärkung. Außerdem wagte ich es, die bequemen, aber klatschnassen Hokas (besondere, extrem gut gedämpfte Laufschuhe für lange Strecken) gegen leichte, flexible und kaum gedämpfte Straßenlaufschuhe zu tauschen und genoss das barfuß-Gefühl.
Nach und nach wurde der Abstand zur restlichen Gruppe immer kleiner. Irgendwann sahen wir ihre Stirnlampen knapp hinter uns und mir war klar, dass ich kein Katze-und-Maus-Spiel, sondern gemeinsam ankommen will. Wir schlossen uns zusammen und wanderten ohne größere Probleme durch die Morgendämmerung. Der eine oder andere hatte zu kämpfen – gerade für Läufer ist es hart, nicht einmal die Abstiege joggen zu dürfen. Mir setzte eher der Schlafmangel zu. Insgesamt war aber alles im grünen Bereich und die Stimmung durchwegs positiv.
Neuer Tag brach an. Das zuerst nur beim Blick nach oben bemerkbare Licht half mir sofort, aufzuwachen – die Augen fielen nicht mehr zu, die Schritte zeichneten keinen Zickzack mehr. Groß genommen konnte ich mich immer noch nicht beschweren und fand es ein wenig unfair den anderen gegenüber. Nach noch einer „Kaffepause“ mit Brötchen, Obst und Schokoriegel als angenehme Überraschung spazierten wir bei inzwischen einstelligen Rest-Kilometerzahlen dem Ziel entgegen.
Auf die letzten Kilometer – Asphalt und bergab – hätte ich ruhig auch verzichten können. 30km in schlecht geeigneten Schuhen waren inzwischen gut zu merken, besonders jetzt, auf hartem Untergrund. Umso mehr freute ich mich auf die Ankunft – schließlich will diese auch verdient sein und auf den Langstrecken gehören kleine Wehwehchen einfach dazu.
Nach einem Zielfoto ging es sehr bald nach Hause. Nur zwei Stunden nach unserer Ankunft lag ich bereits im Bett und traute mich dem Morpheus an.
Überraschenderweise war ich schon am Abend erholt und normal gehfähig. Selbst vom Muskelkater wurde ich diesmal verschont! Der Plan, die Wanderung zu genießen und gesund und munter anzukommen, funktionierte also bestens – hoffe auch bei dem Rest der sehr netten Wandergruppe. Trotzdem hätte ich für das nächste Jahr einen kleinen Verbesserungsvorschlag: „An der Ahr regnet es nie“ würde ich auch gern erzählen können…
PS: Herzlichen Dank an Klaus Angel für die Organisation und Betreuung! Alles war perfekt!
Super Bericht. Schön zu lesen und mal angenehm, nichts selbst zu schreiben. Eine tolle Truppe und ein geniales Erlebnis, dass am 09.05.2015 seine Fortsetzung findet. Auf ein Neues auf dem Ahrsteig.
Vom 09.05.15 bis 10.05.15 war das Abenteuer für mich. Es war einfach super. Hatte Deinen Bericht schon vorher im Netz gefunden und gelesen, habe es aber irgentwie nicht umgesetzt, dass Du es warst Anna.
Schreibst Du wieder was zu 2015? Gibt es bald Fotos?
Michel
Ja, Michel, eine lange Strecke ist jedes Mal ein Abenteuer. Besonders an meine erste erinnere ich mich noch sehr gut! Zum Ahrsteig-2015 wird sicher noch etwas geschrieben, erstmal sind aber viiiiele Gigabyte Fotos aus Chile dran…