Mai 2021
Ein Streifen mit zwei zarten rosa Linien. Du stehst da und starrst darauf – nun ist der Schwangerschaftsverdacht bestätigt. Kaum ein Gegenstand ist in der Lage, einen ähnlichen Gefühlswirrwarr auszulösen. Ob geplant oder nicht, akribisch vorbereitet, erhofft oder überraschend – plötzlich ist nichts wie früher. Und obwohl es in aller Regel ein wunderschöner Grund zur Freude ist, kommen sehr bald erste Fragen auf. Eine davon, obwohl nicht essenziell, aber dennoch brennend, ist besonders den Reise-, Outdoor-, Sport- und sonst aktiven Frauen (und natürlich ihren Partnern) bekannt: Wie geht es weiter? Geht es bergsteigerisch überhaupt irgendwie weiter??
Eigentlich planten wir es, dieses Jahr noch einmal richtig in die Höhe zu gehen. Selbst ein 8000er wurde überlegt, sagenhafte fünf Wochen Urlaub zur besten Zeit reserviert und die schwierige Pandemielage aufmerksam verfolgt, um möglichst sicher reisen zu können. Doch dann kam ebendieser Teststreifen mit rosa Linien drauf.
„Weißt Du, ob ich den Chef kurz sprechen kann?“ – die Sekretärin nickte und wenige Minuten später telefonierte mein Chef schon mit dem Betriebsarzt. Da meine eigentliche Tätigkeit für das ungeborene Leben direkt schädigend wäre, wurde innerhalb kürzester Zeit umdisponiert und mir ein für Schwangere unproblematischer Bereich zugeteilt. Die Nächte durfte ich ab jetzt zu Hause verbringen und auch die Wochenenden wurden plötzlich alle frei – eine ziemlich ungewohnte Vorstellung. Ich war aufgeregt und konnte es kaum erwarten, zu Hause meinen Freund zu umarmen und mit ihm zusammen in dieses Abenteuer zu stürzen.
Schon wenig Zeit später kamen jedoch die Fragen wieder. Denn während ich das sonstige Leben einem Kind gern unterordnen würde, sieht es beim Lieblingshobby anders aus. Wie geht es mit dem Bergsteigen weiter? Werde ich jemals wieder eisklettern? Von den ganz hohen Bergen kann ich mich verabschieden, oder? Was ist beim Klettern in der Schwangerschaft vertretbar, kann ich überhaupt vorsteigen? Und ob es noch mit dem ein oder anderen Gipfel klappt, bevor der Bauch zu dick wird?
Im Netz findet man bereits einige Berichte, doch die Breite reicht von A bis Z. Während die einen wollten oder konnten sich kaum bewegen (so schreibt zum Beispiel die Profiläuferin Emelie Forsberg, dass sie während ihrer zweiten Schwangerschaft so gut wie keinen Ausdauersport betrieben hat), erzählen die anderen von endlich gelungenen Sportkletterprojekten („ich kletterte bis 10 Tage vor der Geburt“) oder Skitouren auf 4000er. Und der große motivierende Klassiker ist natürlich die Durchsteigung der Eiger Nordwand von Alison Hargreaves – im 6. Schwangerschaftsmonat.
Offizielle Empfehlungen für Schwangere sind dagegen konservativ-ernüchternd: Nicht über 2500m steigen, auf über 2000m erst ein paar Tage akklimatisieren, beim Sport die Herzfrequenz im Schnitt nicht über 155/min und ab 35 Jahren nicht über 145/min steigen lassen. In meinen Augen ist es durchaus nachvollziehbar, denn es liegen sehr wenig Studiendaten über Höhenaufenthalte in der Schwangerschaft vor und Ärzte sind vorsichtig. Doch jede Frau und jede Schwangerschaft ist anders und ich hoffte, dass ich diese besondere Zeit aktiv erleben kann. Teilweise funktionierte es auch – aber ganz anders als gedacht.