Zeltgespenst

…ist unterwegs!

Über Cochrane, deren Krankenhaus und zuckersüße Pflaumen

Es ist der 3. Tag, den ich in Cochrane beginne. Dass es nicht so geplant war, lässt sich vermutlich erraten, aber wat wells de maache?

Wunderbar im Park Patagonia eingetroffen, wurden wir durch die Guanakos begrüßt und freuten wir uns auf die Flamingos und sonstige Lebewesen dort. Auf der weichen Wiese schlief es sich bestens, der Regen trommelte leise auf dem Zeltdach. Nach einer erholsamen Nacht wachte ich jedoch mit Zahnschmerzen auf und wusste selbst bei meinem extrem bescheidenen Vorwissen, dass ein Abwarten es eher schlimmer machen wird. Also packte ich zusammen und lief auf dem 14km langen Weg zur Carretera Austral los in der Hoffnung, früher oder später mitgenommen zu werden.

Nach etwa 6km kam tatsächlich ein Pickup von hinten an und ich sprang zu den jungen Chilenen Heidi und Christian in die Kabine. Sie enttäuschten mich aber schnell in meiner Hoffnung, in Cochrane einen Arzt zu finden und rieten mir dazu, mit ihnen direkt nach Coyhaique zu fahren, wo es sicher einen gibt. Aber Coyhaique ist 7h Schotterpiste-Fahrt  entfernt!!! Also beschloss ich, es doch im 3000 Einwohner großen, nur 20km entfernten Cochrane zu versuchen – immerhin war auf der Karte eine Krankenstation eingezeichnet. Netz, dort einfach anzurufen, hatten wir leider nicht.

Auf der Carreterra Austral lief ich wieder einige Kilometer bis ein  Wagen kam und anhielt. Ein junges Paar aus Santiago bereiste die Carretera Austral in ihren Ferien – bis hierher haben  sie 8 Tage gebraucht. Am „Krankenhaus“ abgesetzt, fand ich eine Krankenschwester (Sonntag) und fragte nach einem/r Dentista – ja, ich darf mich morgen vorstellen!

Na, immerhin. Kurz mit der Versicherung telefoniert und in einem Garten Zelt aufgeschlagen.

Am Morgen stand eine Schlange aus etwa 15 Personen am Eingang des „Krankenhauses“, alles ältere Menschen gefühlt vom Land. Auf den Wänden – Plakate und Anleitungen für/gegen Hantaviren, Röteln, Schlaganfälle, Herzinfarkte etc. – und Aufklärungszettel für Ebola sowie richtiges Füttern der Säuglinge. Der Blick durchs Fenster landete im Hof, wo Holz offensichtlich noch per Hand gespalten wird. Im Zimmer der Anmeldung lagen etliche Unterlagen nicht besonders akkurat gestapelt auf dem Boden. Das Gebäude selbst war dringend reparaturbedürftig (wird aber 2015/16 komplett ersetzt, habe ich gehört).

Etwas beruhigender sah das Personal aus – bunt angezogen, aber kompetent und „städtisch“. Bald wurde ich registriert und die Schlange nach Spezialisten sortiert. Für die „Consulta“ bat man mich um knapp 15000 Pesos – ca. 20 Euro. Etwas unterschreiben, dass ich die eventuell nötige Behandlung bezahlen kann/werde musste ich nicht.

Mit der Doctora, sicher noch keine 30 Jahre alt, verstanden wir uns bestens. Keine 20min später war ich, um einen Weisheitszahn und weitere 20 Euro leichter, draußen. Im Preis enthalten waren übrigens Tabletten – Analgetika (die schon verschenkt sind) und Antibiotika, die mir samt genauen Anweisungen direkt ausgehändigt wurden.

Seitdem absolut (!) beschwerdefrei, widmete ich mich dem Spazierengehen und dem hiesigen Obst – es ist schließlich Sommer! Melonen, Pflaumen aller Farben, Pfirsiche usw. – bevor es wieder in die Berge und Wälder geht, werden die Vorräte aufgefüllt. Gestern erkundete ich die Reserva National Tamango, von Cochrane aus in einer Gehstunde erreichnar: Vogel- und wildreich, um den grellblauen Cochrane-See gelegen. Ich hatte Glück, die selteen Huemules (eine Art Hirsch?) zu sehen und lief insgesamt gute 10h durch die Gegend.

Cochrane selbst ist ein nettes, grünes Dörfchen zwischen den trockenen Bergen. Etwas weiter sieht man die schneebedeckten Gipfel u.a. des San Lorenzo Massivs – so verlockend ein Versuch auf den Gipfel zu steigen auch wäre, mussten wir einsehen, dass es für uns zweien aufgrund der schwierigen Serac-Landschaften  nicht vertretbar wäre. Auf meine Frage, wann die letzte ihm bekannte Besteigung war, antwortete ein Ranger „vor zwei Wintern“. Selbst wenn er nicht alle Versuche kennt, entspricht es der patagonischen Realität.

Heute kommt Frank nach. Ich habe bereits Infos über die nächste Tour gesammelt bzw. verstanden, dass ich kaum etwas finde. Der einzige Mensch, der mir Auskumft über die geplante Route gebem konnte, zeichnete sie einfach in ein Straßenplan ein – eine Karte existiert scheinbar gar nicht…

Morgen werden wir hoffentlich wieder loslegen können. Und bis dahin gehe ich gleich wieder im eiskalten Flüsschen baden und Pflaumen essen 🙂 Bis bald!

 

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