Store Venjetinden (Vengetinden, Vengjetinden) ist mit 1852m der höchste Gipfel des Massivs Venjetindan und des Romsdals, welches einer der wichtigsten Anlaufpunkte für Bergsteiger in Norwegen ist. In dieser schönen und anspruchsvollen Bergregion ließen sich auch die bekannten Profiultraläufer Kilian Jornet und Emelie Forsberg nieder.
Venjetinden ist nicht nur ein prominenter Gipfel, sondern auch eine durchaus interessante Tour, welche nicht unterschätzt werden sollte. 1400hm, davon fast 1000hm im Schutt (der Großteil vom Rest ist Kletterei), oft ausgesetzt und nahezu durchgehend steil, sprechen für sich. Auch ist der norwegische 2. Klettergrad durchaus ernst zu nehmen – zwar entspricht die nordische Bewertung hier in etwa der von UIAA (evtl. plus ½ Grad), es ist aber nicht immer einfach, den leichtesten Weg zu finden und so landet man schnell im schwierigeren Gelände. A propos: Unten gibt es Pfade, oben gelegentlich Steinmännchen und Spuren, zudem mehrere Abseilstellen. Andere Markierungen oder gar Sicherungshaken sucht man, wie meist in Norwegen, vergeblich.
Anfahrt
Die Meisten werden über Åndalsnes anreisen und hier lohnt sich ein Stop im Alpincenter. Auf nette Nachfrage wird man vielleicht das Ansichtsexemplar des Buches „Klatring in Romsdal“ anschauen und abfotografieren dürfen, welches sonst vergriffen ist. Zudem ist hier die letzte Möglichkeit zum Tanken und mehrere große Supermärkte. Weiter geht es über Isfjord (auch ein Supermarkt) ins Venjedalen (Mautstraße, Kartenzahlung), wo man am nördlichen Ende des Sees einen Parkplatz mit zwei Sitzgruppen findet. Einige Meter weiter befinden sich außerdem mehrere kleinere und größere Ausweich- und Parkbuchten, welche an schönen Wochenenden allesamt belegt sind. Links des Schotterweges steht bereits imposant der Venjetinden. Links sieht man den Nordgrat (= Normalweg), im rechten Teil verläuft der beliebte Westgrat (III°, projiziert sich nicht! gegen den Himmel, sondern gegen den Litle Venjetind). Der Zustiegspfad beginnt direkt hinter der Kuppe, 10m hinter einer größeren Parkbucht (3-4 Autos) und rund 200m hinter dem Parkplatz am nördlichen Seeende. Er geht relativ unscheinbar an einem Flussbett in den Wald hinein, wird aber bald deutlicher.
Zustieg
Hat man den Einstieg gefunden, folgt man dem Pfad in Richtung der tiefsten Einkehrbung im Nordgrat – hier wollen wir auf den Grat kommen. Es geht zwischen zwei Bächen, Wasser muss man auf den ersten 800hm also nicht mitnehmen. Es wird zunehmend steiler, manchmal ist es einfacher, neben dem Pfad über die Platten zu steigen. Achtung jedoch vor nassem (schwarzen) Moos, er gleicht der Schmierseife.
Nach etwa 900hm wird es in Gratnähe noch einmal steiler und man kraxelt rund 20m hinauf (gefühlter 3. Grad, gut griffig, aber einige lose Blöcke). Auf dem Grat angekommen, wird einem zuerst einmal deutlich, dass es erst der Zustieg war und die Tour noch ziemlich lange wird.
Tour
Die Wegspuren und Steinmänner führen einen nun in die in Aufstiegsrichtung linke, also östliche, Flanke. Hier geht es zuerst abschüssig, aber recht einfach weiter, bevor es wieder steiler wird und die Markierungen einen wieder zurück auf den Grat rufen. Über geneigte Platten geht es zu einer Steilstufe (man gehe direkt auf die Platten und freunde sich mit diesen an, die gut aussehende Verschneidung links davon ist unschön zu klettern und im oberen Bereich weit jenseits des Begriffs „kraxeln“). Als Orientierungshilfe kann man auch auf die Steigeisen-Kratzspuren achten. Unterhalb der Steilstufe kann auch ein Stand gebaut werden. Die Stufe hat ca. 5m im gefühlten 3. Grad, oberhalb davon befindet sich eine Abseilstelle. Nun wieder einfacher in die Platten der Gipfelflanke.
Auch hier folgt man am besten den Spuren und den Steinmännchen, früher oder später verlieren sie sich aber. Die meisten queren nun den Hang weit nach links, den Gipfel quasi umrundend. Von hier kann man über eine Verschneidung oder direkt am Grat (maximal ausgesetzt!) zum Gipfel gelangen. Beide Wege haben unserer Meinung nach auf den letzten Metern nichts mit dem 2. Grad zu tun. Möglicherweise ist es auch möglich, sich eher rechts zu halten, fast dort, wo der Westgrat auf die Abseilstrecke trifft (s. weiter). In unserer Anwesenheit sind alle jedoch wie beschrieben aufgestiegen.
Abstieg
Vom Gipfel klettert man entweder über den gleichen Weg ab (steil und ausgesetzt!) oder folgt deutlichen Spuren auf die gegenüberliegende Seite (von wo man den gesamten Nordgrat etwas rechts von sich sieht). Etwa 50m tiefer befindet sich an einem großen Block eine Abseilstelle. Nach 60m Abseilstrecke steht man wieder im einfacheren Gelände oder nimmt auf der halben Höhe den gut sichtbaren Abseilstand (wieder Schlingen) einige Meter weiter westlich. Ab hier wieder den Steinmännchen folgen und über die Platten und Schutt sowie die steile Zustiegsrinne ablaufen, ggf. mit einem weiteren Abseiler in der Mitte des Grates. Nun liegen die meisten Schwierigkeiten zwar hinter einem, ein Sturz ist aber nach wie vor Tabu und der Weg noch lang.
Fazit
Store Venjetind ist nicht umsonst ein beliebtes Bergsteigerziel. Bereits der Zustieg ist mit etwa 1000hm ziemlich lang und alpin, die Route selbst ist kraxelig, fast durchgehend ausgesetzt und entschädigt mit einem tollen Weitblick. Ich selbst fand die Tour anspruchsvoller als erwartet, wobei wir einen kleinen Untermieter (16. Schwangerschaftswoche) mit dabeihatten und meine Wahrnehmung und Belastbarkeit entsprechend verändert waren.
Ausrüstung: Schuhe mit gutem Grip, Kletterhelm. Gurt und Seil zumindest überlegenswert. Wasser im Zustieg ausreichend vorhanden, danach ist es trocken.
Tipps:
Norweger gehen diese Tour mit Zustiegsschuhen oder Trailrunnern, was je nach Vorlieben einen Vorteil gegenüber Bergstiefeln darstellt.
Zur Orientierung am Grat auch auf Steigeisen-Kratzspuren achten.
Sicherung ist nicht häufig möglich und wenn, dann an Blöcken oder, seltener, in Rissen.
Man sollte sich im ausgesetzten Gelände wohl fühlen und auch kurze Stellen im 3. Grad abklettern können.
Die Tour ist beliebt, an guten Tagen ist mit viel Verkehr zu rechnen.
Da sich die Gewitterneigung in Norwegen meist sehr in Grenzen hält und die Tage im Sommer lang sind, starten viele mittags oder sogar nachmittags, ein Start um 5 Uhr morgens ist hier nicht notwendig. Wir haben etwa 11h gebraucht, wobei ich schwanger und sehr langsam war. 8h dürften realistischer sein.
Nicht bei nassen Felsen gehen.
Der Parkplatz am nördlichen Seeende bekommt früh Sonne und hat eine super Aussicht.