22.07.-27.07.2012
Brenta. Allein das Wort klingt sagenhaft, mystisch, verlockend. Riesige Wände, gespenstische Stimmungen der berühmt-berüchtigten Brenta-Nebeln, unendlich tiefe Abgründe unter schmalen begehbaren Bändern – und das alles soll dem normalen Klettersteiggeher zugängig sein! Nachdem wir letztes Jahr nur einen kleinen Einblick ergattern durften und schneebedingt nicht die ziemlich hoch gelegenen Bocchette Wege gehen konnten, wagten wir es mit einer Freundin noch einmal – und wurden nicht enttäuscht.
Am Nachmittag war die Anreise endlich geschafft und wir stiegen in Madonna di Campiglio aus. Über Vallesinella, ein recht malerisches Tal oberhalb der Ortschaft, wanderten wir in wenigen Stunden zum Rifugio di Tuckett, das uns im letzten Abendlicht empfing. Dabei ging es über grüne, saftige Wälder und Wiesen in die karge Hochgebirgswelt mit grauem Gestein und weiß schimmerndem Altschnee auf Gletscherresten.
Das Rifugio hatte sich seit dem letzten Jahr nicht verändert und blieb trotz des sprudelnden Lebens ungemütlich und kalt. Umso zeitiger verließen wir es am Morgen und stiegen zur Bocca die Tuckett auf, wo der erste Klettersteig anfing.
Bei großartigem Panorama, aber technisch einfach ging es über Bänder und Stufen den Bocchette Alte entlang. Wir waren relativ einsam unterwegs und genossen in vollen Zügen den spektakulär angelegten Weg. Nach mehreren Stunden, die uns jedoch viel länger vorkamen, erreichten wir das Rifugio Alimonta und merkten, dass hier wesentlich mehr los war, als am Abend davor.
Der orangefarbene Sonnenuntergang beendete diesen erlebnisreichen Tag. Am kühlen, aber wolkenlosen Morgen ging es weiter zum Bocchette Centrale – und promt standen wir im richtigen Stau am Einstieg. Nach einer guten halben Stunde Wartezeit kraxelten wir schnell über die Engstelle und reihten uns in die lange Kolonne der Bandbegeher ein. Trotz der zahlreichen „Gesellschaft“ ist der Weg so spektakulär, dass man keine Sekunde bereut, eingestiegen zu sein.
Familien mit kleinen Kindern, betagte Senioren, geführte und ungeführte Gruppen mit weit zweistelligen Wandererzahlen – auf dem Klettersteig mit schwierigen Überholbedingungen ging es nur sehr langsam voran. Einmal sahen wir drei Seilschaften italienischer Jugendlichen: Jeweils zu zwölft mit einem Führer, durch 2-3m Seil miteinander verbunden. Der Tausendfüßler bewegte sich langsam und unsicher und uns blieb nichts anderes übrig, als die Gruppen im freien Gelände zu umklettern. Aber auch andere Extreme waren zu beobachten: Trailläufer in kurzen Hosen, Halbschuhen und nicht einmal mit Helmen waren unterwegs. An schmalen Stellen nahmen sie den ausgesetzteren Weg und hüpften einem locker davon…
An der Pedrotti-Hütte rasteten wir und unterhielten uns mit einer slowakischen Gruppe. In Handumdrehen holten die Jungs den hochprozentigen „Tatra-Tee“ und der Abend hätte auch gemütlich werden können – nur wir wollten noch weiter. Über einen kleinen Klettersteig – erst blieben die Gurte im Rucksack, dann bereuten wir es – stiegen wir zum Rifugio Agostini ab. Dort besuchten wir noch eine nah gelegene Eishöhle und verabschiedeten uns bald in die Schlafsäcke.
Es folgte ein schöner, mehr oder weniger ruhiger Tag mit vielen Gehabschnitten, aber auch schönen Kraxelpassagen. Über den Martinazziweg, der letztes Jahr tief verschneit viel Spaß gemacht hat, diesmal aber ein unangenehmer, langer Schuttabstieg war, ging es bergab zum Rifugio Brentei. Im oberen Bereich lag außerdem ziemlich viel Feingeröll auf blankem Eis, was das gehen – ob mit oder ohne Steigeisen – zu einer Rutschpartie machte.
Am Rifugio Brentei regnete es. Nach einer Pause in der Hütte stiegen wir zum Sentiero SOSAT auf und bewunderten als erstes die vielen Edelweiße am Wegesrand. Da sich aber wieder ein Gewitter ankündigte, ging es zurück zur Hütte und später über den normalen Wanderweg zum Refugio Tuckett.
Damit war die Runde beendet- beeindruckende, phantastische Runde durch die Brenta. Dabei sind wir nur die „Touri-Wege“ gegangen und schauten nicht ins Hinterland. Diese wunderschöne Gebirgsgruppe wird mich definitiv wieder sehen, am liebsten mit Kletterschuhen und Seil. Als ganz normaler Bergwanderer bin ich aber glücklich, hier gewesen zu sein und dank der Erschließung durch Klettersteige an die Stellen zu gelangen, die einem sonst niemals zugängig wären.
Am Abend saßen wir noch lange draußen und kochten auf dem kleinen Gaskocher Nudeln (die Hütte platzte aus allen Nähten und wir hatten sowieso Essen dabei). Eine Männergruppe aus Stuttgart fand es derartig faszinierend, dass die schnell Wein holten und sich dazu setzten. Was würden wir denn sonst alles machen? Gingen wir immer ohne Männer? Was hätten wir vor? Und sie selbst? Bei Gesprächen wurden die Nudeln erst heiß, dann kalt und ungenießbar. Dafür stand nun der Plan für die restlichen fünf Tagen des Urlaubs: Die Stuttgarter schwärmten vom Großglockner und versicherten uns, dass der Gletscher auch für uns zwei risikoarm begehbar wäre. Also auf in die Tauern!