Krönungsweg (Bonn-Aachen) 140km /24h, 23.-24.11.2014
In drei Tagen geht es los. Dass ich mich „so langsam“ mit der Strecke und mir selber befassen sollte, kommt mir erst jetzt in den Sinn. Viel zu sehr war der Kopf mit der Examensvorbereitung, Urlaubsplanung und –durchführung beschäftigt. Und dann ist es schon ein grauer Novembermorgen. Weder ausgeschlafen noch gefrühstückt mache ich mich auf den Weg zum Bonner Bahnhof. Der Bus ist leer – alle, die jetzt noch schlafen können, tun es. Um kurz nach sieben treffe ich in der Bahnhofshalle ein und sehe direkt ein Lager in der Mitte – da bin ich richtig!
Es geht professionell und routiniert zu. Schnell sind die Sachen gepackt und Rucksäcke angezogen. Mitten bei McDonalds gibt Michael Frenz letzte Anweisungen, wir schalten GPS-Geräte an und es geht los.
Mein GPS habe ich gestern ausgeliehen und über fünf Stunden damit verbracht, den Track hochzuladen. Jetzt fällt mir ein, dass ich keine Ahnung habe, wie man die Aufzeichnung der Route einschaltet – das wird ja lustig mit uns beiden!
Poppelsdorfer Allee, Venusberg, Kottenforst. Ich kenne jeden Stein hier, nicht aber die Route. Noch sind wir aber zu sechst und die anderen orientieren sich. Bald schließe ich mich zwei Frauen an, die relativ zügig unterwegs sind, wobei die anderen fast alle weit vorne sind und hinter uns sind nur zwei (von ca. 20) Teilnehmer.
Es ist recht unspektakulär. Viele Asphalt- und Waldwege, die kilometerlang geradeaus verlaufen. Das Laufen macht mir nicht wirklich Spaß, da wir aber immer wieder ein Stück gehen ist es schon ok. Vom 1. VP (28km) starte ich etwas früher als die anderen; eine Viertelstunde vor mir sind Steffen und Melanie und ich nehme mir vor sie vor der Nacht aufzuholen.
Verlaufen, schon wieder verlaufen! Obwohl ich mit dem GPS immer vertrauter werde, mache ich immer wieder Umwege. Als ich zum wiederholten Mal zurück gefunden habe, kommt mit plötzlich Steffen entgegen. Wer von uns ist falsch??? Ich nicht! Die beiden haben eine 5km-Extrarunde absolviert und sind entsprechend unzufrieden.
Weiter geht es erst einmal parallel zueinander. Theoretisch könnte ich jetzt etwas schneller sein, der Verstand sagt aber, dass es sinnvoller wäre, mich in der 15 Stunden langen Nacht an die beiden Erfahrenen zu halten. Also warte ich etwas bis sie aufgeholt haben und frage, ob ich mich anschließen dürfte.
Burg Satzvey – verdammt. Nicht einmal 60km. Nach einer Gemüsesuppe geht es weiter und ich ahne schon, was das für ein Spaß wird.
Gegen Einschlafen hilft Essen. Auch gegen die Langeweile und den Schweinehund. Aber bei so einem Appetit muss ich rationieren: Jede 15min ein dickes Gummitierchen. Der Nebel verdichtet sich von Minute zur Minute und irgendwann können wir nicht mehr erkennen, ob wir im offenen Gelände oder im Wald sind. Steffen übernimmt immer mehr die Orientierung und ich helfe nur etwas mit. Spaß macht es zwar keinen, lässt sich aber noch relativ gut ertragen – bis mir ca. bei Kilometer 80 eine Sehne Ärger zu machen beginnt.
Traben kann ich kaum noch und die Abstiege werden unangenehm. Es entwickelt sich aber langsam und diesmal bin ich mir absolut sicher, dass es sich um eine einfache Überbelastung handelt.
Ob ich bei Km 85 (Dropbag-VP, jede Menge bestes Essen usw.) aussteige? Die Stimmung ist gedrückt, mich quälen die Zweifel. Gehen kann ich ohne Probleme, laufen nicht. Die Nacht ist noch lang und kalt und wenn ich irgendwann gehunfähig oder zu langsam werde, habe nicht nur ich ein Problem, sondern auch Steffen und Melanie. Andererseits kann ich hier auch nicht ohne weiteres aussteigen – die Gaststätte schließt in 20 Minuten und sonst hat schon alles längst zu. Achja, dunkel und kalt ist es hier auch.
Davon erzähle ich aber niemandem etwas. Es sind noch weitere vier Personen am VP und wir alle sind sehr knapp vor der Cut-off-Zeit. Trotzdem lassen wir uns ausreichend Zeit zum Essen und umziehen – und dann stehe ich auch schon startbereit vor der Tür.
Nun war Steffen eindeutig der Führende. Ich war mit mir selbst beschäftigt, Melanie auch. Ich war müde und wollte schlafen; zum Glück war zumindest die Kleiderwahl perfekt und ich fror nicht. Einmal gingen wir vom Weg ab und trafen bei der anschließenden Querfeldeinpartie Michael. Es ging über einen Bach, durchs Gebüsch und über einen Stacheldrahtzaun – jetzt war ich wach!!! Leider hielt sich dieser Zustand aber nicht allzu lange an, dafür hatten wir nun nasse Füße und trotz Gamaschen jede Menge Erde in den Schuhen. Michael war übrigens schnell wieder weg, eine halbe Stunde später kam er nach einem Umweg aber von hinten an…
Ich werde wohl nicht müde zu wiederholen, dass es keinen Spaß machte. Ich war schlicht zu müde um es genießen zu können und auch der bekannte Flow ließ auf sich warten. Ich versuchte nur dran zu bleiben und zehrte sowohl von Steffens Stärke, als auch von der Melanies mentalen Kraft – sie hatte schon wesentlich länger zu kämpfen als ich und ich traute mich schlicht nicht, Schwäche zu zeigen oder gar aufzugeben. Es gab einen Abschnitt, wo ich sogar etwas zurück blieb, holte aber immer wieder auf – fertig und schlecht gelaunt.
Den vierten VP machten Sonja und Holger Sprang – Läufer. Sie haben sowohl die letzten Kilometer zu „ihrer“ Hütte markiert, als auch eine warme Oase mit vielen Leckereien aufgebaut. Vor allem wussten sie genau, was wir brauchen – und gaben es uns! Danke dafür. Es war nicht einfach von dort in die Nacht wegzugehen, es war gemein, dunkel, kalt und noch so lang…34km durch die Nacht.
Steffen führte. Wir schwiegen. Ab und zu versuchten wir über etwas zu sprechen, doch es klappte nicht. Manchmal sagte Steffen die Kilometerzahl oder etwas Motivierendes – mir half es und ich erwiderte weitestgehend positiv und gut gelaunt. Aber…nein. Auch Michael verlor seine Gesprächigkeit und blieb immer öfter zurück. Sch****strecke.
Irgendwann passierten wir den letzten VP – genauer gesagt, den Abzweig dahin. Da die Zeit sehr knapp war (Cut off wurde verschoben, wir wollten aber trotzdem die 24h nicht überschreiten), beschlossen wir, uns die 700m zum und vom VP zu sparen. Die netten Helfer standen aber sogar auf unserem Weg und begrüßten uns fröhlich trotz erst 6 Uhr morgens.
Und bald merkten wir, dass es heller wird. Letztes Jahr war ich zu der Zeit schon fast ausgeschlafen…jetzt waren wir immer noch unterwegs. Da uns die Zeit weglief, trabten wir jetzt etwas mehr. Für mich bedeutete das Knie(sehnen)probleme, trotzdem ließ ich mich irgendwann mitreißen und joggte. Erinnerte mich an die letzten Kilometer vom Wibolt machte einfach mit. Melanie und Michael waren nicht so begeistert und nur kurz vor dem Ziel von der Idee anzustecken. Mir ging es dagegen immer besser und irgendwann lockerten sich die zusammengebissenen Zähne – jetzt habe ich es fast genossen. Und mit jedem Meter waren wir näher am Ziel.
Bereits im Hellen durch Aachen getrabt, suchten wir noch einige Zeit nach dem richtigen Hotel (=Ziel). Dort bekamen Melanie und ich ein Zimmer zusammen, duschten und ich fiel ins Bett. Wir waren uns beide einig, dass der Lauf wesentlich mehr gefordert hat, als wir erwarteten.
Nach 45min Schlaf ging ich in den Speisesaal zu den anderen – mit steifem Knie, aber schon viel fitter. Das Frühstück war perfekt und der Morgen ganz angenehm. Und zwei Stunden später machten wir uns auf den Weg….
Nein und noch einmal nein – es hat keinen Spaß gemacht. Ob es an der langen Strecke oder schlechter physischer und/oder mentaler Vorbereitung lag – so etwas will ich nicht noch einmal erleben. Aber um etwas anders zu machen muss man es auch erneut versuchen….komme schon klar damit, war nicht das letzte Mal.