24.03.-06.04.2014
Lange stand die Frühjahrstour nicht. Zu viele Ideen gab es, aber auch zu viele neue zu berücksichtigende Faktoren. Deswegen war ich etwas skeptisch, als Rondane auf dem Horizont erschien, und erwartete von der Tour nicht viel. Um ehrlich zu sein, stand diese Gegend erst gar nicht auf meiner Wunschliste, von der Begleitung (bzw. Menschen, die ICH begleiten durfte) und Vorbereitung her (zu der ich NICHTS beigetragen habe) war das aber ein non plus ultra Urlaub und es konnte keine Zweifel mehr geben.
Mit „Norwegian“ flogen wir nach Oslo, verbrachten eine kurze Nacht in einer mit unseren Pulkas verbarrikadierten Ecke am Flughafen und fuhren am Morgen mit dem Zug nach Hjerkinn. Trotz des mehr als opulenten Gepäcks funktionierte alles schnell und reibungslos und bereits am frühen Nachmittag standen wir mit tourbereit verstauten Sachen, zusammengeschraubtem Zuggestänge und aufgezogenen Fellen hinter der Bahnstation. An Pflichtaufgaben fehlte nur noch ein Besuch in der Hjerkinn Fjellstua, deren Wirte so nett waren, für uns Sprit zu organisieren. Wir liefen mit Skiern hin, packten Benzinflaschen und Gaskartuschen ein und steuerten Berge an…
An der Waldgrenze wurde bei mäßigem Wind das erste Lager aufgebaut. Dabei beobachteten Simon und ich den Profi Martin und übernahmen bereits hier die auf großer Erfahrung basierenden Abläufe. Bald begaben wir uns in die waagerechte Position und ich schlief sofort ein. Die Tour begann!
Beim Aufwachen zauberte die noch tief stehende Sonne eine schöne Stimmung, doch beim Losgehen begann es zu schneien. Wir gingen jeder sein eigenes Tempo flach bergauf bis plötzlich Pause angedeutet wurde. Die für mich aus Büchern über den Norden bekannte, aber in der (Berg-) Praxis anders gehandhabte Taktik der Pausen jede Stunde war gewöhnungsbedürftig, aber im Grunde richtig. Nach dem „2. Frühstück“ ging es weiter und sogar das Wetter begann sich zu bessern.
Über unberührte Schneeflächen und abgewehte steinige Hochebenen wanderten wir nach Südosten. Am zweiten Abend stieg ich nach dem Zeltaufbau auf den benachbarten Gipfel und wunderte mich, wie alpin das Gelände auf gerade mal 1500m aussehen kann.
Die Herausforderungen des nächsten Tages bestanden darin, keinen Hitzschlag zu bekommen und zur Grymsdalshytta abzufahren. Durch die Kombination aus schlechtem Skikönnen, steilem Gelände und schwerem, bergab schiebendem Schlitten verbrachte ich mehr Zeit beim Aufstehen nach den Stürzen als beim Abfahren, bis die gnädige Natur half und den Schnee stollen ließ – dann konnte man ganz normal runterstapfen.
Eine der Nächte wollten wir auf einem auf dem Weg liegendem Campingplatz verbringen – vielleicht könnten wir uns irgendwo drunterlegen und müssten das Zelt nicht aufbauen? Dort in der Abenddämmerung angekommen, fanden wir nur ein Toilettenhäuschen und weder etwas zum Drunterlegen noch genug Schnee zum Befestigen des Zeltes. Es blieb uns nichts anderes übrig als zu biwakieren, also richteten wir uns möglichst gemütlich ein und verbrachten eine kühle, aber insgesamt akzeptable Nacht unter den Sternen im Windschatten der Campingtoilette…
Einen Vorteil hatte der Platz aber trotzdem: Im Fluss in der Nähe gab es fließendes Wasser. Also zog ich Ski an, bekam einen Rucksack mit allen vorhandenen (Thermos)Flaschen und füllte sie an der offenen Stelle. Danach ging es im Laufschritt zurück zum Lager, weil die Flaschenverschlusse innerhalb der Minuten zufroren und nicht mehr zu öffnen waren.
Endlich ging es in den höchsten Teil von Rondane. Ich sehnte mich inzwischen nach Bergen und freute mich bei jedem Blick nach vorne. Das Wetter war immer noch perfekt – blauer Himmel und Sonne, wir stiegen gemütlich das Tal hinauf und meisterten dabei immer wieder kurze Steilstufen.
Einmal gingen die Meinungen über den Aufstieg auseinander – was ich für gut möglich hielt wurde vom Erfahrenen als zu heikel eingestuft. Beim Umfahren dieser Stelle gingen wir, in dem Augenblick zu zweit, auf meinen Wunsch unterschiedliche Wege. Meine Variante stellte sich im Nachhinein als Fehler heraus, hat 45min gedauert und mich zu weit bergauf geführt, während die andere schnell und direkt zum Treffpunkt ging. Mit schlechtem Gewissen, andere warten (und sich Sorgen machen) zu lassen, aber insgeheim glücklich über diese kleine Berg- und Sporteinlage ging es nun weiter in Richtung Rondanes höchsten Teil. Und weil der Zeltplatz bezüglich Aussicht alle Erwartungen übertraf, blieben wir direkt für zwei Nächte dort.
Beim folgenden Tagesausflug erwarteten uns viele Steine und Gras, Steilufer eines Flusses und ein riesiges Loch in den Wolken – genau über den Bergen. Wir staunten über extrem geringe Schneemengen und zogen teilweise sogar Skier aus. Zurück ging es über Dørålseter (Seter= Alm), wobei wir uns gleichzeitig den Aufstieg für den nächsten Tag spurten.
Auch am nächsten Zeltplatz blieben wir drei Tage und auch dort war die Aussicht genial. Wir befanden uns nun auf der westlichen Seite von Rondslottet, mit 2178m dem höchsten Gipfel der Gegend. Und immer noch war es tagsüber richtig heiß, sodass wir selbst in dünnen Unterhemden ordentlich ins Schwitzen kamen. Dafür konnte man sich sowohl morgens, als auch tagsüber Zeit lassen – vom Winter kennt man es normalerweise ganz anders!
Am Fuß von Rondslottet, wohin wir einen Tagesausflug machen wollten, unterschieden sich die Wünsche und nur ich stieg weiter auf. Die Schlüsselstelle war es dabei, auf den Kamm überhaupt zu kommen – ich zog Skier aus und ging mit Harscheisen den ca. 40° steilen, teilweise vereisten Hang hinauf. Der weitere Weg, von „einigen“ Höhenmetern abgesehen, war einfach; ich wählte schneeärmere Stellen und genoss Einblicke in die fast 1000hm hohe, senkrechte und absolut beeindruckende Nordwand.
Der nächste Ausflug ging auf die andere Talseite und auch dort trennten sich unsere Wege. Während die Männer einen der benachbarten Hügel bestiegen, Spaß beim Abfahren hatten und viel fotografierten, blickte ich zum Veslesmeden (2015m) hinauf.
Auf möglichst geradem Kurs ging es teilweise ziemlich steil auf den Gipfelkamm und von dort flach bis kurz unterhalb des Gipfels. Dort herrschte Hochbetrieb: Mindestens 50 Skitourengeher sonnten sich teilweise mit freiem Oberkörper im Windschatten der selbst gebauten Schneemauern! Offenbar ist es ein beliebtes Tourengebiet, zudem gut aus der Rondvassbu (Hütte) zu erreichen.
Vom Gipfel fiel die Aufmerksamkeit auf eine Seilschaft, die gerade einen benachbarten Gipfel über einen Grat bestieg (Storsmeden Ostgrat). Eine phantastische Linie; ich sah ihnen eine ganze Weile fasziniert zu. Nur waren auch sie relativ spät dran; ich hoffe, es ging alles gut.
Im Abstieg hatte man die gleichen steileren Hänge zu meistern wie im Aufstieg. Lange kämpfte ich auf Ski runter, zog sie dann aus und spazierten über inzwischen (Abendschatten) wieder vereisten und trittfesten Schnee zurück zum Zeltplatz. Nach zwei erlebnis- und höhenmeterreichen Tagen freute ich mich ganz besonders über das fertig servierte Abendessen sowie warmen Schlafsack. Und weil das Wetter immer noch ideal war, ging es für die Nacht freiwillig unter die Sterne – extra dafür hatte ich meinen Biwaksack dabei – schön war es!
Über den zwischen steilen Hängen eingequetschten Rondvatnet (See) und vorbei an der bewirtschafteten Rondvassbu (Hütte), gerieten wir in eine plötzlich viel winterlicher aussehende Landschaft – Schneeprobleme der Hochrondane schienen hier unbekannt. Wieder wurde Lager auf einem 5-Sterne-Platz aufgebaut und zum ersten Mal seit Tagen gab es am Abend einen leichten Hauch von Wolken. Laut Wetterbericht an der Hütte sollten diese aber nicht lange halten: Nach einer unglaublichen Schönwetterwoche wurde noch eine zweite versprochen!!!
Restliche Strecke bis zum Ausstieg hätte man in 2-3 Tagen gehen können, wir hatten aber noch 6. Deswegen ließen wir uns immer mehr Zeit und auch morgens warteten erst ab, bis die Sonne das Zelt auf komfortable (oder auch im Schlafsack nicht mehr auszuhaltende 🙂 ) Temperatur erwärmt. Berge ließen wir inzwischen hinter uns und schauten in das vollendet weiße leicht wellige und typisch nordisch weite Gelände vor uns. Noch einige Hügel wurden bestiegen, die eine oder andere Abfahrt gemeistert und Sonnenuntergang genossen.
Eines Tages – es war der 14. seit dem Start – sahen wir Venabu. Dort fand an dem Wochenende ein Langlaufmarathon statt und der Miniort lebte. Wir ließen es uns gut gehen, duschten endlich und kaperten das hervorragende Buffet des Fjellhotels. Am nächsten Tag brachte uns der Besitzer samt Gepäck nach Lillehammer und der Schnee verschwand…
Rondane war ein schöner Urlaub. Keine „hervorragende Tour“, sondern genau ein schöner, entspannter, angenehmer Urlaub. Zwei Wochen Sonne, gute Stimmung, bergige Gegend und lockeres Wandern. Wir kamen ausgeschlafen und voller frischer Energie zurück und landeten in einer völlig anderen Welt – in 16 Tagen unserer Abwesenheit verwandelte sich die Natur in einen blühenden Teppich. Ade, lieber Winter! Bis zum nächsten Jahr! (Oder vielleicht doch bis in zwei Wochen?…..)
Tolle Tour und noch tollere Fotos!