14.-17.04.2017
Ist es lange her, dass ich die Berge sah! Die Felssaison wurde schon eröffnet, der erste Sonnenbrand auskuriert und die Sommerpläne spruchreif gemacht – den Winter haben wir aber noch längst nicht verabschiedet. Also nutzten wir die Feiertage und fuhren ins sonnenüberflutete (meistens…) Wallis.
Das Besondere diesmal war nicht einmal das Wetter – es sollte sehr windig werden – sondern die Gruppe. Zu viert planen wir im Sommer erneut nach Peru zu fliegen und das Ziel ist es natürlich, bis dahin ein eingespieltes Team zu sein. Das Spannende dabei ist es, dass die drei anderen absolute konditionelle Ausnahmen sind, unter anderem beruflich bedingt. Und dann komme ich, die ihren Arbeitstag vorm PC verbringt. Das verlängerte Wochenende war also eine ordentliche Standpunktbestimmung für meinen Trainingszustand und ein Test, ob unsere Gruppe überhaupt funktioniert. Und – ja, das tut sie!
Als erstes stand die Fletschhorn-Nordwand auf dem Plan. Man liest die Bewertungen um D herum, Steilheit bis etwa 55° und Felsschwierigkeit I bis II. Ich hatte sie in Erinnerung vor allem als wilde, beeindruckende Wand in rauer Umgebung – kein Wunder, habe ich sie doch Ende November schattig, kalt und bei starkem Wind kennen gelernt… Diesmal stiegen wir schon wenige Hundert Meter hinter dem Dorf Egga aus dem Auto, weil Lawinenreste die Auffahrt versperrten, und liefen im besten Sonnenschein schweißüberströmt hinauf…
Das Gepäck war unangenehm schwer. Jeder hatte ein Seil bei, die zwei Schneeschuhegeher trugen zudem ihre Schneeschuhe recht weit hoch und auch das Tempo war wie erwartet zügig. Die Sonnencreme brannte in den Augen… Ich war bald recht platt, doch dann machten wir eine Rast, zogen Schneeschuhe an und gaben unsere Seile an die beiden, deutlichen schnelleren, Skifahrer an – etwas Neues für mich. Und plötzlich war das Rucksackgewicht trotz der Biwaksachen voll in der Wohlfühlzone und es lief.
Am Zen-Biwak angekommen, hatte ich schlechtes Gewissen ohne Ende – der Träger meines Seils war wesentlich langsamer und hatte zu kämpfen. Netterweise stieg der fitte und nach mehreren 4000ern in den letzten Tagen gut akklimatisierte Michael wieder ein Stück ab und übernahm dem Letzten einen Teil seines Gepäcks.
Das Zen-Biwak, anno 1999, ist klein und einfach. Es bietet theoretisch neun Personen den Schutz, praktisch wird es ab fünf eng. Decken gab es genug, wir hatten aber auch unsere warmen Schlafsäcke mit. Die Nacht war extrem windig und entsprechend laut, nach dem doch kräftezehrenden Aufstieg schlief es sich aber bestens.
Ich ignorierte den Wecker so lange es ging. Schlich dann aus der Schachtel, wurde vom Wind fast fortgeweht und einigte mich mit den anderen auf noch eine Stunde Schlaf. Etwas später trauten wir uns wieder raus – windig – frühstückten jedoch und beschlossen, es trotzdem zu versuchen. Die beiden italienischen Skifahrer in der Hütte fuhren nur ab.
Zum Glück schützte uns die Nordostwand bestens gegen den Westwind. In der Sonne (Hä? Es hieß, wir machen `ne Nordwand? ) stapften wir gemütlich immer höher, bis die Firnauflage dünner wurde und beide Seilschaften beschlossen haben, die letzte Seillänge zu sichern.
Vorstiegswillige gab es … vier. Das Wetter schlug recht plötzlich um, die Sonne verschwand und der Wind pfiff – da klettert jeder lieber als er sichert. Lukas und Jan gewannen diese Möglichkeit, flitzten hoch und holten Michael und mich nach. Auf dem Grat war es mehr als ungemütlich, deswegen verzichteten wir auf den Gipfel und beeilten uns nach unten. Lukas bohrte die Eissanduhr, ich hielt schon alles bereit, was er brauchte und die anderen zogen schnell die Seile durch und packten ihre eigenen ein. Läuft!
In der Wand waren wir wieder im Windschatten, gemütlich wurde es jedoch nicht mehr. Schnell drei Seillängen abgeseilt, kletterten und stiegen wir den Rest ab und waren gegen 15 Uhr in der Biwakschachtel, rund 7,5h nach dem Start. Kurz den Rest einpacken – und schon waren wir unterwegs nach ganz unten.
Das Wetter spielte weiterhin nur bedingt mit. Nach einer entspannten Nacht unter einer Brücke (was frau mit 30 Jahren nicht so alles kennen lernt…) stiegen wir bei immer stärkerem Wind und Schneefall zur Monte Leone Hütte auf. Im Winter ist sie nicht bewirtschaftet, jedoch offen – sogar die Küche! Der Abend war stürmisch und jeder Toilettengang (Nachbargebäude) einer kleinen Expedition gleich. Am Morgen guckte ich wieder nach dem Wetter (Föhn!) und wollte schon zurück in den Hüttenschlafsack kriechen, als der Militär unter uns mit leuchtenden Augen aufsprang und Hunger verkündete. Es blieb nichts anderes über, als die Daunenjacken unter die Hardshells sowie Sturmhauben anzuziehen und einer der schönsten Tour seit Jahren entgegen zu stapfen.
Das Wasenhorn bietet kaum technische Schwierigkeiten (Schnee 45°, Fels I-II°), war bei der Aussicht jedoch ein absolutes Highlight und bei Schnee und Wind doch ein wenig spannend. Nachdem wir den Ausflug ausgekostet haben, ging es zurück zur Hütte, runter zum Simplonpass und ins ferne heimische Rheintal – nach Köln.
Die vier Tage waren wieder ein traumhafter, wenn auch anstrengender Bergurlaub, der lange in Erinnerung bleiben wird. Wir fanden uns als Gruppe bestens zusammen, lernten Vorlieben, Stärken und Schwächen anderer kennen und lachten über sich und die Welt. Freue mich schon auf das nächste Mal mit euch!
P.S. So fühlte es sich auch stellenweise an 🙂