17.-18.06.2017
Bis vor einigen Jahren führten fünf Aufstiegsrouten auf die Zugspitze: Der klassische, lange und abwechslungsreiche Aufstieg übers Höllental, der schnelle über den „Stöpselzieher“, die einfacheren übers Rheintal oder übers Gatterl und der anspruchsvolle über den Jubiläumsgrat. 2013-16 wurde zudem die „Eisenzeit“ erstbestiegen und eingerichtet – diese wollten diesmal auch wir entdecken.
Es ist beeindruckend, wie logisch die Route ist und wie selbstverständlich sie sich durch die Nordwand schmiegt – und das an einem der am stärksten erschlossenen Berge der Alpen. Als leichte Kletterei bietet sie zudem ein gutes Training für längere ähnliche Routen und sollte auch für uns als eine Art Test für die Watzmann-Ostwand dienen.
Ursprünglich war es unser Plan, die „Eisenzeit“ als eine reine Mädelstour zu gehen, doch da sich eine von uns kurzfristig verletzte, schloss sich ein Kletterkollege an. Mit Monika und ihm waren also zwei erfahrene Kletterer dabei – viel konnte da nicht schief gehen – dachten wir.
Gegen zwei Uhr nachts kamen wir in Garmisch an und rollten unsere Isomatten auf einem Parkplatz aus – wie auch etliche andere. Die Suche nach dem Parkautomaten sparten wir uns um diese Uhrzeit – um 6 Uhr morgens war das Knollchen bereits da…. Wir schliefen gut und starteten mit der ersten Bahn in Richtung der Riffelseestation der Zahnradbahn.
Dort kamen wir allerdings nicht an. Die Bahn blieb mit einem Defekt liegen und während der Techniker angefordert wurde, durften diejenigen, die nach Bergsteigern aussahen, aussteigen und zu Fuß weiter laufen. Neben uns waren es zwei Grüppchen, die ebenfalls die Eisenzeit anpeilten. Für einen Samstag durchaus akzeptabel, wobei in einer Route dieser Brüchigkeit auch eine Person oberhalb von einem eine zu viel ist.
Über einen markanten Wanderweg steigt man die ersten Meter auf, bis ein Pfad nach rechts abzweigt. An einem ersten, verfallenen Häuschen der Bahnarbeiter zieht man den Gurt und vor allem den Helm an und lässt sich von Wegspuren erst in Falllinie und dann nach rechts querend durchs steile Schrofengelände führen. Dieser sogenannte Gamssteig wird zunehmend steiler und ausgesetzter, wer sich bereits hier unwohl fühlt, sollte (vorsichtig!) umdrehen.
Dann tauchen erste Sicherungen auf. Der Steig wurde von den Bahnerbauern in den 30er Jahren genutzt, um zu den Arbeitsstellen zu kommen – wohl bemerkt mit entsprechenden Schuhen/Bekleidung, Gepäck und nach obligatorischen ein paar Bier abends. Heute sind die Sicherungen nicht mehr zu benutzen; auch wenn die ein oder andere immer noch solide ausschaut, wirft man sie lieber aus dem Kopf und vertraut nur auf die eigenen Hände und Füße. Spätestens wenn man einige Stifte auf der Wand gezogen hatte, beherzigt man dies endgültig.
Unterhalb der Strommasten geht es im Zickzack nach links bergauf. Es wird felsiger (I-II), aber durchaus griffig und es gibt meist einen gut brauchbaren Pfad.
Mittendrin trifft man auf die „Harakiri-Leiter“, die ihrem Namen alle Ehre macht. Eine wacklige, kaum noch befestigte Leiter in einer Verschneidung, die ohne ebendiese Leiter durchaus gut kletterbar wäre, mit den ganzen Drähten und Rohren aber recht unangenehm ist. Man muss richtig in den Fels ausweichen, viel zum Halten und Treten gibt es nicht und ein Sturz definitiv eine schlechte Idee. Auch wenn die Stelle “ nur“ eine UIAA III ist, würde ich sie nächstes Mal sichern – man glaubt nicht, wie hinderlich der alte Baumüll beim Klettern sein kann.
Weiter geht es wieder durchs leichte Felsgelände. Kurz bevor man in den Bahntunnel steigt und den einfacheren Teil hinter sich lässt, gibt es jedoch einen ersten Vorgeschmack auf den Rest – eine kurze IV- Stelle.
Gegen einen Seilschaftsabsturz hilft eine Stange am Einstieg, gegen das brüchige Zeugs nur die Hoffnung, dass es 2-3 Meter weiter oben besser wird. Ludwig erklärte sich bereit, hier vorzusteigen und weihte gleichzeitig sein neues Seil ein. Insgesamt ist die Stelle kurz und nicht so schlimm wie sie aussieht, aber durchaus ernst zu nehmen.
Nach einer entspannten Wanderung durch den historischen, durchaus beeindruckenden Tunnel – hier kann man übrigens eine gemütliche Pause machen, später wird es schwieriger – geht die eigentliche Kletterei los. Zuerst noch I-II Grad, zwischendurch aber auch anspruchsvoller. Man trifft auf einige Hacken und Standplätze und sollte nach diesen auch Ausschau halten – das Verlaufen hier ist leicht geschehen und ziemlich unangenehm. Gemeinsam mit der Vater-Sohn-Seilschaft vor uns suchten wir an einer Stelle eine ganze Weile nach dem Weiterweg, bis ich endlich das Topo studiert und mich die auf den ersten Blick wenig einladenden, letztendlich aber gut zu gehenden Felsen hochgetraut habe und einen mit einem farbigen Band markierten Stand fand.
Die III+ Platte zum Queren ist etwas fester, die steile IV- Schlüsselstelle aber nicht weniger brüchig als der Rest – aufpassen. Die Griffgröße ergibt keinen Unterschied – packt man etwas fester an, bleibt das Meiste davon zerbrochen in der Hand. Die Landschaft ist jedoch gewaltig und entschädigt durchaus für die Felsqualität.
Wir gingen in Wechselführung und wenn es ging gleichzeitig am Seil. Seilfrei würde ich persönlich mich dort nicht aufhalten wollen – das Risiko, durch Steinschlag oder einen ausgebrochenen Tritt oder Griff zu stürzen, wäre mir zu hoch.
In der Zwischenzeit wurde es immer nebliger. Wir wussten, dass das Wetter zum Abend hin schlechter werden sollte, und beeilten uns entsprechend. Als eine lange einfachere Strecke anstand, wanderte das Seil wieder in den Rucksack und wir liefen auf schmalen, ausgesetzten Bändern in das plattige Gelände hinein.
Hier blieb ich ein Stück zurück – Ausgesetztheit ist nicht so meins – und die anderen beiden gingen voraus, gelegentlich einen Blick aufs Topo werfend. Irgendwann sagte mir die innere Stimme, dass wir falsch waren.
Die mit feinem Schutt überdeckten Platten, in die wir unbemerkt gerieten, werden das unangenehmste Gelände in meiner bisherigen Erfahrung bleiben. Es gab nicht einen millimeterdicken Griff für die Finger, man musste 100% in die Füße vertrauen – auf eben diesem Sandschutt auf dem Fels. Im dichten Nebel sahen wir nichts und durch die Rinne rechts von uns schoss ununterbrochen ein heftiger Steinschlag.
Monika näherte sich der Rinne, wich aber sofort vor Steinschlag zurück. Ich half hin und wieder Ludwig, der in solchem Gelände weniger erfahren ist und sich sichtlich unwohl fühlte. Wobei die Hilfestellungen auch alles andere als DAV-konform waren. Irgendwann hatten wir aber alle eine halbwegs stabile Stehfläche erreicht und atmeten auf.
Die Seilschaft über uns stieg derweil aus der Rinne in den gegenüberliegenden Hang (wir konnten sie ab und an hören), schickte aber immer noch Felsbrocken die Rinne hinab. Wir warteten noch rund 40min, bis es etwas ruhiger wurde und wir uns weiter trauten. In dieser Zeit klärten wir, wo und warum (verfranzt!) wir sind und hatten angesichts der bescheidenen Lage mit dem ein oder anderen unangenehmen Gedanken zu tun. Kommen wir hier überhaupt weiter? Was, wenn gerade Ludwig als im solchen Gelände Unerfahrenem etwas zustößt? Monika fühlte sich, wie im schlechten Fels üblich, wohler als ich, die Verantwortung lag aber bei mir.
Der aufhörende Steinschlag tat aber gut und so langsam machte es wieder Spaß. Die Rinne dort zu queren, wo wir waren (viel zu weit oben) war abenteuerlich, jedoch konnte ich Ludwig sichern und dann ein Stück ablassen. Monika lief voraus und fand in der Zeit einen Hacken – wir waren wieder auf der richtigen Route.
Für mich folgten die schönsten Meter der Tour. Eine kurze Querung und zwei komplett ausgegangene Seillängen im dritten Grad, diesmal im wesentlich festeren Fels. Gesichert haben wir vor allem weil die Begleitung müde war. Interessant war nach wie vor die Orientierung, auch musste ich etwas basteln, um ganz oben einen Stand einzurichten. Den Stand nach den ersten 50m kann man entweder an einer Schlinge (eine 120er-Schlinge und 2-3 Exen reichen für die gesamte Tour) oder etwas weiter und unbequemer am Hacken machen. Zwischensicherungen kann man keine legen, es gibt jedoch eine locker aufliegende Köpflschlinge auf dem halben Weg.
Das Wetter war ungemütlich und wir sahen nach wie vor nichts, vor allem nicht den Abseilstand auf den Höllentalsteig. Vom Kamm steigt man quasi geradeaus einige Meter ab zu einem kleinen Vorsprung mit einer Stange – dort geht es runter. Achtung vor Steinschlag beim Abseilen, das bekommt alles der Höllentalsteig ab! Einmal dort, ist man endgültig safe.
Nach noch einem kleinen Abenteuer – ich ließ meine Kamera ein Stück weit fallen, seilte ab, um sie zu holen und dann noch einmal, um das sich verhängte Seil zu lösen – stiegen wir die knapp 300hm auf den Zugspitzgipfel und gingen dann in die Hütte. Am nächsten Morgen regnete es wie erwartet heftig, deswegen ging es nur noch mit der Bahn runter. Unterwegs trafen wir noch einmal auf die gestern vor uns gekletterten zwei, die erzählten, dass auch sie sich genauso verlaufen haben und froh waren, dass wir durch den von ihnen ausgelösten Steinhagel nicht zu Schäden gekommen sind. Dann die knapp 700km nach Hause und gegen Mitternacht war das Wochenende schon zu Ende…