11.12.-15.12.2011
Stand Samstag, der 10. Dezember:
- Wetterbericht Torla (1030m): -6…+2°C
- Der vor 6 Wochen bestellte Winterschlafsack ist immer noch nicht angekommen
- Spätestens in einer Woche soll es ordentlich schneien, ab dann gilt der Winter.
- Kollegen waren letztes WE auf dem Monte Perdido (3355m), ich konnte zeitlich nicht mit.
- Zur Verfügung steht ein 6 Jahre alter +5°C(angeblich)-Komfort-Schlafsack.
- Die (Leih)Steigeisen passen schlecht, die selbstgemachten Antistollplatten scheinen noch zu halten.
- Morgen früh gibt es eine Busverbindung (nur eine am Tag)
Tag 1
Nach einem 30min-Lauf zum Bus und trotz vergessener Reiseverpflegung steige ich mittags in Torla aus, dem letzten Ort am Eingang ins Ordesa-Tal. Dieses Mal ohne viel zu knipsen, komme ich bald an der Pradera de Ordesa an und, ohne nur einen Tagestouristen zu sehen, biege auf die Senda de Cazadores, einen Steig orografisch links im Tal, ab.
Alle Bekannten beschreiben ihn als steil, aber lohnenswert. Ich komme nach 65min und 600hm verschwitzt, aber zufrieden an; das Gepäck belief sich auf ca. 16-17kg, mit kleinem Rucksack steigt es sich leichter. Es ist grau und empfindlich kalt (Nordseite, ewiger Schatten im engen Tal). Trotzdem gibt es erstmal eine längere Pause – endlich frühstücken!!!
Faja (=Band) de Pelay ist ein schöner Wanderweg, der zumeist so einfach ist, dass man beim Bewundern des (phantastischen) Panoramas nicht unter die Füße schauen muss. Die Stimmung schwankt von „was mache ich hier“ bis „genial!!!“ abhängig vom Grauanteil am Himmel und Sicht auf Berge. Etwas Sonne könnte ich gut vertragen!
Ich bin um kurz nach 12 Uhr gestartet, um 17:30 wird es dunkel. Für 1600hm rauf/450hm runter und 21km Strecke definitiv zu knapp – schon wieder eine Nachtwanderung. Nebel zieht auf und man sieht weder mit noch ohne Lampe etwas. Gegen ein Biwak an der Stelle sprechen gelegentliche Steinschlaggeräusche (viele Gämsen), um die Lage beurteilen zu können fehlt das Licht. Außerdem wollte ich nahe Rif. Góriz schlafen, erstens um eine Rückzugsmöglichkeit zu haben und zweitens weil es ein guter Ausgangspunkt für morgen ist.
Um 19:30 sehe ich das Refugio und mache es mir gemütlich etwas unterhalb; 50hm weiter oben zelten welche; da sind sogar ausgewiesene Zeltplätze. Der Abend verläuft idyllisch und bald lege ich mich schlafen: fünf Schichten Kleidung, Cotton-Inlet, Schlafsack, Fleecedecke, Biwaksack. Bis auf die Tatsache, dass ich mich so nicht bewegen kann, ist alles perfekt. In der Nacht graupelt es, doch wen interessiert´s?
Tag 2
05:50 – es wird kalt -> Zeit aufzustehen. Gegen 7 ist alles für den Monte Perdido bereit: Das Nötigste kommt mit, der Rest bleibt gut verpackt hier liegen. Über mir bewegen sich schon ein paar Stirnlampen nach oben.
Die ersten Schritte erfordern bereits Konzentration – die Felsen sind vereist. Ich steige ruhig und vorsichtig weiter, bis ca. 45min später ein Geräusch erstarren lässt – Pfeifen des Windes. Wie aus dem Nichts kommen stürmische Böen, wirbeln die Graupelschicht auf und beschleunigen sie ins Gesicht.
In den wenigen Minuten, die ich gebraucht habe, um die Sturmhaube und Handschuhe anzuziehen, steigerte sich die Windstärke weiter und es wurde klar, dass der Ausflug zu Ende ist. Unter einem Stein sitzend zog ich die restlichen Sachen an und wurde beim ersten Versuch aufzustehen UMGEWORFEN. Die Fotos wurden gemacht, indem ich auf dem Bauch liegend die Kamera schützte…
Zurück zur Hütte, Sachen geholt, Tee getrunken, mit den Leuten gesprochen. Etwas später traute ich mich wieder raus (die drei dort oben waren noch nicht zurück!!!) und entschied mich für eine Runde auf Hüttenhöhe +/- 300hm, wo eigentlich nichts passieren konnte. Als ich um 11:30 auf einem 2500m-Gipfel ankam, hörte der Wind genauso plötzlich auf, wie er kam – perfektes Bergwetter! Doch für mich zu spät. Die vor mir gestarteten drei kehrten übrigens auch um.
Meine 5h-Spazierrunde war wunderschön!
Den Rest des Tages verbrachten wir, zwei Eiskletterer aus dem Baskenland (das waren sie, die im Zelt geschlafen haben), Hüttenwirt mit drei Freunden und ich im Rifugio Góriz. Die Hütte ist im Vergleich zu denen in den Alpen in einem schlechten Zustand, bietet aber ausreichend Komfort: Im Lager ist es warm, am Ofen kann man Wasser warm machen, es gibt einen Raum zum selber kochen. Sanitäre Einrichtungen sind aber draußen und sehr einfach, abends war da statt Wasser Eis…
Tag 3
6 Uhr, Wecker der Basken. Sie entscheiden sich auch auf den Monte Perdido zu steigen und wir schließen uns zusammen. Ich packte meine Sachen aber am Abend und war 30min (!) früher bereit. Warum habe ich die Zeit nicht genutzt, um einen Vorsprung aufzubauen?? Der erste legt direkt zu Beginn so ein Tempo vor, dass ich schon nach 10 Metern halbtot bin. Dem zweiten geht es zum Glück ähnlich… und irgendwann spielt auch mein Kreislauf mit. Wir steigen zügig und ohne Probleme hoch und sind nach nur 1h50 am Lago Helado in ca. 3000m Höhe.
Der Schnee ist bretthart gefroren, die Spuren gut sichtbar, immer noch kaum Wind (trotz schlechter Vorhersage!) und die Aufstiegslinie logisch. Nur meine Steigeisen sitzen zu schlecht, was an einigen Steilstücken recht unangenehm ist.
Über eine Rippe und dann die im Sommer befürchtete Escupidera (steile Rinne mit Feingeröll, ein Schritt rauf – zwei runter) geht es auf die Zielgerade. Hier haben wir wieder mit dem ähnlich starken Wind zu kämpfen, solange er uns aber zum Hang und BERGAUF drückt, habe ich wenig gegen. Die letzten Meter sind anstrengend; der Gleichgewichtssinn ist vom Wind vollkommen irritiert und sobald dieser nachlässt, fallen wir hin. Gipfel, Foto, etwas trinken – und runter. Was gar nicht so leicht ist, weil der Wind einen immer noch nach oben hebt.
Ab Lago Helado beruhigte sich die Lage wieder und wir stiegen entspannt zum Refugio ab (insgesamt 1200hm rauf und runter, haben ca. 5h45 gebraucht). Dort die Sachen einsammeln und runter ins Tal, da es am nächsten Tag schneien sollte.
Über die Clavijas (=Stifte) de Soaso – kleiner gesicherter Steig – waren wir schnell im Circo de Soaso. Hier verabschiedete ich mich von den beiden und blieb am Rifugio de Soaso (kleine Biwakhütte ohne Möbel, Ofen o.ä.) zum Übernachten. Mein Bus fährt nur einmal am Tag, es lohnte sich also nicht, heute weiter zu gehen.
Tag 4
In der Nacht hat es erst geregnet, dann geschneit. Ich überlebte es dank Kleidung und Biwaksack ziemlich gut, freute mich aber auf die Bewegung. Dieses einmalige Tal, heute so ruhig und einsam wie nie. Es ist Winter in Ordesa.
Ich stieg über das Tal nach Torla ab, was immerhin 700hm und ca. 22km machte.
Noch ein kurzer Streifzug durch den Ort – und der Bus kam. Der Fahrer hatte wieder Spaß daran, bei einer Richtgeschwindigkeit von 40km/h mit 80km/h durch die Kurven zu rasen und sie stilvoll zu schneiden. Aber langsam gewöhne ich mich dran. War schließlich nicht zum letzten Mal in Ordesa…