Immer weiter gen Sueden fuehrte uns die Reise. Irgendwann blieb nur noch ein Trek auf der patagonischen Plan A-Liste: Los Dientes de Navarino, „Die Zaehne von Navarino“. Dabei war nicht nur der Weg selbst interessant, sondern (und vielleicht sogar noch mehr) die Anreise dahin. Nicht zuletzt Dank in Punta Arenas wohnender Bonnerin Steffi haben wir im letzten Augenblick die Tickets fuer den Bus und das Schiff bekommen und konnten wieder die Rucksaecke packen.
Navarino (Chile) ist eine Insel suedlich von Feuerland. Um von Punta Arenas (Festland, Chile) dahin zu gelangen gibt es drei Moeglichkeiten:
1) einen Flug buchen (Fluggesellschaft DAP, normalerweise eine 19 Sitze-Maschine, max. 10kg Gepaeck) – die guenstigste Variante, war ausgebucht
2) mit dem Bus und Faehre nach Feuerland (Stadt Ushuaia, Argentinien) und von dort mit kleinem Boot (Zodiak, 8 Plaetze) nach Isla Navarino queren – unsere Hinfahrt, teuer und wetterabhaengig (Zodiak), dafuer aber ein Besuch in Ushuaia
3) mit der Faehre, die auch ein Transportschiff ist und bis zu ca. 60 Passagiere aufnehmen kann, in 30-36h ueber den Beagle-Kanal und die Magellanstrasse – unsere Rueckfahrt, auch teuer, je nach Wetter sehr oder gar nicht interessant.
Eines Morgens ging es also aufs Feuerland. Ueber weite, flache Steppe mit tausenden Schafen fuhren wir auf die chilenisch-argentinische Grenze zu, gelangten mit der Autofaehre auf die Insel (Tierra del Fuego) und kamen nach 16h Fahrt (normal sind 10-12h) um Mitternacht an. Mit etwas Gueck fanden sich noch zwei freie Betten in einem Hostel – bei dem Andrang vor allem europaeischer und israelischer Touristen ist es nicht selbstverstaendlich.
Ushuaia ist ein 57000 Einwohner Ort im Sueden von Feuerland. Neben der wichtigen strategischen Rolle (Falklandkrieg mit dem Vereinigten Koenigreich, Auseinandersetzungen mit Chile) ist es ein Ausgangspunkt fuer viele Antarktisexpeditionen. Mit ihrem antarktischen Flair (ohne Golfstrohm wirkt die Natur trotz des gemaessigten Breitengrades recht streng), grossem Hafen, umgebenden verschneiten Gipfeln ist die Stadt etwas Besoderes und wir haben unsere 1,5 Tage dort sehr genossen. Fuer weitere 1,5 Tage reisten wir in den Nationalpark Tierra del Fuego (Feuerland); bis auf kurze Spaziergaenge kann man dort aber nichts unternehmen.
„Die Abfahrt verschiebt sich um 3h“
„Warum?“
„Bei den Chilenen hat sich die Administration gewechselt, sie haben irgendwelche Probleme“
„Ist es das erste Mal so?“
„Nein, jedes Mal“
„????? Hoffentlich steigt die Windstaerke nicht…“
„Schweig!“
Drei Stunden spaeter kamen wir tatsaechlich los und waren nach einer 30min Fahrt im Puerto Navarino. Ein Mitarbeiter des chilenischen Zolls (und des Ministeriums fuer Landwirtschaft) bat uns (alle acht vom Boot) , unsere Rucksaecke zu oeffnen, nach einem fluechtigen Blick durften wir aber offiziell einreisen. Die Erfassung des Migrationsdienstes (Passstempel) erfolgte nach einer einstuendigen Busfahrt in Puerto Williams. Ebenfalls dort wurden alle wanderwilligen polizeilich registriert und mussten sich nach Beendigung der Tour wieder abmelden. Diese Prozedur ist haeufig und aehnlich sowohl in Chile als auch in Argentinien, die Konsequenzen bei nicht-Abmelden sind aber fraglich bis nicht vorhanden (Beispiel: Runde auf dem Eis, El Chalten).
Der Wanderweg ist bestens beschrieben, unter anderem im Lonely Planet Fuehrer „Trekking in Patagonien“. Er gilt als anspruchsvoll, aber das ist sehr relativ. Bei gutem Wetter sind die fuenf ca. 4h-Etappen eine lockere Wanderung, bei schlechtem (Wind, Regen) ein anspruchsvolles Unternehmen in der Wildnis. Denn auch wenn die Strecke mit knapp 40km (plus 10km Strasse) kurz ist und Puerto Williams ab und an in Sicht kommt, befindet man sich bis zum letzten Pass mitten im Nirgendwo.
Eine besondere „Attraktion“ der Route und der Insel generell sind die Bieber. 1948 zwecks Fellhandel ausgesetzt, haben sie sich bei fehlenden natuerlichen Feinden explosionsartig vermehrt. Der Handel hielt nicht lange an. Die Tiere holzten grosse Flaechen ab, ueberfluteten noch groessere und fuerten zum Absterben des Waldes in katastrophalen Ausmassen. Da es auf der Insel nur eine duenne Schicht des fruchtbaren Grundes gibt (irgendwo stand „8 cm“), bleibt das Wasser auch abseits der vorsaetzlich gestauten Areale stehen, es entstehen Feuchtgebiete und das ganze Ecosystem veraendert sich.
Zuerst bekamen wir nur beeindruckende Bauwerke dieser genialen Dammbauer zu sehen. Nur wenige Kilometer vor dem Ausstieg beglueckten uns jedoch zwei Tierchen mit ihrer Anwesenheit und wir blieben spontan fuer mehrere Stunden an ihrem Teich. Sitzend, liegend, schweigend und aufmerksam beobachtend. Ein wunderbares Erlebnis, wenn man die traurigen Folgen der Bieberverbreitung auf Navarino nicht beachtet.
Nach 1-2km durch den Wald (Klettern ueber Baustaemme, Matsch -> fast Abenteuer) liessen wir uns auf einer Anhoehe 15min von der Strasse entfernt nieder und genossen einen super Ausblick auf das Beagle-Kanal sowie Puerto Williams bei steigendem orangenen Vollmond. Am Morgen ging es nach drei sonnigen tagen (endlich :)) im Regen nach Puerto Williams, wobei ein leerer Bus ohne Aufforderung anhielt und uns mitgenommen hat.
Nach ein paar Stunden im Dorf war der kurze Navarino-Aufenthalt vorbei: Die Faehre mir ihren warmen Duschen und weichen Sitzen lud zum Einstieg ein. Mal bei flachem Wasser und Sonne, mal etwas unruhiger bei Regen und Wind ging es in etwa 35h ohne Zwischenfaelle nach Punta Arenas. Die Fahrt war angenehm und entspannt, leider passiert man die beeindruckende Cordilliera Darwin allerdings im Dunkeln und die Strecke ist daher wenig spektakulaer. Trotzdem fand ich die Reise sehr angenehm.
Nun sind wir wieder bei Steffi, geniessen das Leben im Haus, bringen die Ausruestung in Ordnung, ersetzen das, was kaputt gegangen ist. Zum Beispiel funktionieren nach zwei Monaten beide Kocher nicht oder nur eingeschraenkt (beide waren vor dem Start fast neu). Und schon morgen steigt der Flieger in den Norden – ein neuer Abschnitt der Reise beginnt. Ade, Patagonien! Schoen war es!!!