Zugegeben: Ich musste einiges an Überzeugungsarbeit leiten. Nach einem Bänderriss vor 6 Wochen und in der 25. Woche schwanger (wobei es mir bisher nicht gut ging) war sich mein Freund überhaupt nicht sicher, ob eine Bergtour, geschweige denn eine Hochtour, eine gute Idee ist. Doch auch er freute sich letztendlich, als es in die Schweiz ging. Und noch mehr, als wir zufrieden und glücklich am Sonntag heimfuhren.
Wir beschlossen also es zu wagen. Eine einfache Hochtour, kurzer Zustieg, leichtes Gepäck. Sehr überschaubare Spaltensituation, ein Sturz wäre ziemlich unwahrscheinlich. Und ich versprach, es nicht zu übertreiben. Wir konnten jederzeit zurück zum Auto absteigen, dort übernachten oder heimfahren. Und auch ein Wochenende „nur“ an der Hütte wäre ok gewesen – die Tierberglihütte hat eine großartige Aussicht.
So kamen wir in frühen Morgenstunden am Parkplatz Umpol (2040m) an und schliefen zuerst bis zum Mittag. Dann ging es gemütlich 800hm zur Hütte, wobei wir uns für die Klettersteigvariante (Kat. 3+ bzw. C) entschieden und damit keine Probleme hatten. Trotz des sehr gemütlichen Tempos und der Pausen waren wir schnell an der Hütte und bestaunten die grandiosen Gletscher. Das Abendessen war super und sogar ich genoss es – nach Monaten der schwangerschaftsbedingten Übelkeit ein ganz besonderes Erlebnis.
Am Morgen beeilten wir uns nicht. Erst kurz vor Sonnenaufgang ging es gemütlich zum Einstieg in den Gwächtenhorn Westgrat. Bis auf einen frischen Wind gab es dabei keine Probleme und auch dieser legte sich später. Der Grat selbst ist mit II° angegeben, fühlt sich aber leichter an. Zudem ist er kurz – nach einer halben Stunde sicherheitshalber am laufenden Seil standen wir schon auf dem Gipfel. Und obwohl Sebastian sich um mich und die wertvolle Fracht im Bauch Gedanken machte, fühlte ich mich sowohl im Aufstieg als auch am Grat sauwohl.
Nach nicht einmal 3h auf dem Gipfel (3403m) angekommen, beschlossen wir, noch das Sustenhorn (3502m) mitzunehmen. Der Übergang ist leicht, zieht sich aber etwas in die Länge. Die Aussicht unter anderem aufs Gwächtenhorn, ist dabei fantastisch und wir waren uns einig, dass sich der Ausflug gelohnt hat.
Die Hüttenmannschaft verwöhnte uns mit Bratwürsten und Kartoffelgratin. Wir blieben noch eine Weile draussen und genossen den Abend – noch fürchteten wir, dass es die letzte Alpentour des Jahres sein wird (diese fand dann doch drei Monate später statt!). Der Abstieg wurde ordentlich nass und als wir zu Hause ankamen, zeigte die Webcam am Hotel Steingletscher einiges an Schnee. Und wir bestellten uns Pizza und freuten uns, die Tour doch gewagt zu haben.
Ausrüstung: Gletscherstandardpaket. Wer am Gwächtenhorn Westgrat sichern will, zusätzlich einige Band- und Expressschlingen.