…was kaputt gegangen ist. Das angeschlagene Knie ist inzwischen voll belastbar, neue, scharfe Hauen für die Eisgeräte liegen gut sichtbar neben dem Rucksack und die Kondition scheint durch das prellungsbedingte alternative Training eher gewonnen als verloren zu haben. Dennoch stehe ich immer wieder unterhalb einer Route in der Kletterhalle und habe Panik.
Der Kopf sagt, es ist doch überhaupt nichts passiert. Paar Meter ins Seil gerutscht im steilen Eisstück, so what? Davor dasselbe beim Drytoolen, beim Klippen. Dann im eigentlich beherrschten Gelände das Bedürfnis gehabt, dreimal so viele Schrauben zu setzen als nötig, aber immerhin oben angekommen. Und trotzdem ist etwas anders.
Ich stehe unter einer etwas anstrengenden, aber nicht zu schweren Route und merke den Herzschlag im Hals. Es wird leicht übel – genauso, wie ich es von den Wettkämpfen kenne und weiß dann, dass ich startklar bin. Jetzt möchte ich allerdings alles, nur nicht klettern.
Die ersten Meter überwiegt die Konzentration. Ist die Bodensturzhöhe hinter mir, kommt die Angst. Irrational, diffus, komisch. So ungewohnt und intensiv, dass ich sie von der Seite beobachten und nahezu genießen kann. Es geht unterschiedlich stark überhängend hoch, bis mir die Kraft ausgeht. Die vorletzte Exe ist auf Brusthöhe neben mir, ich bekomme sie jedoch nicht mehr geklippt und falle ins Seil.
Angst dabei? Keine. Warum auch? Überhang, erfahrener Sicherer, hoch genug. Schon wieder klettere ich die gleiche Route und falle eine Exe vorher rein, nachdem die „Flucht nach oben“ nicht funktioniert hatte. Beim dritten Mal muss ich unterwegs mehrfach pausieren, sonst bekomme ich das Seil nicht eingehängt und kann nicht nach Hause.
Das Fallen ist also nicht das Problem. Weder am Umlenker ins lockere Seil setzen, was der rücksichtsvolle Sicherer als erstes betreibt, noch richtig „reinkrachen“. Trotzdem fühle ich mich immer unwohler, je mehr sich mein Kletterpartner dem Routenende nähert und ich mich damit dem nächsten Kletterversuch. Selbst im Toprope, der absolut einfachsten und sichersten Spielart des Kletterns, fühlt es sich komisch an, sobald ich im Überhang etwas Luft unter den Fersen habe. Was ist hier los???
Es ist vermutlich der Kontrollverlust, der mir zu schaffen macht. Zwei Sturze hintereinander an Stellen, wo ich es nicht erwartet hätte, bringen das Gefühl der Unsicherheit – diesmal waren es Kleinigkeiten, ein anderes Mal könnte es anders ausgehen. Ich bin ziemlich sicher, bald wieder auf die Werkseinstellungen und das gewohnte Vertrauen schalten zu können, dennoch finde ich es extrem beeindruckend, wozu der Kopf ohne „meiner“ Erlaubnis fähig ist.
Ich bin sehr gespannt, wie lange es dauert, bis ich wieder die Zuversicht und den Spaß zurück gewonnen habe. In der Kletterhalle ist ihr Fehlen überhaupt kein Problem – solange die Angst keinen rationalen Boden hat und einem nichts passieren kann, ist es durchaus unterhaltsam, sich ihr zu stellen. Interessanter wird es im Eis, wo ich es tatsächlich lieber lassen sollte, zu fallen. Aber auch da finden der Kopf und ich bestimmt einen Kompromiss – hoffentlich möglichst bald, in nur zwei Wochen geht es wieder los und da will ich stressfrei hoch. Wie wäre es morgen mit dem Riesendach in der Lieblingskletterhalle?