29.08 – 01.09.2013
Ob ich nicht mit in die Silvretta wollte, ab übermorgen. Sechs Wochen vor dem Staatsexamen, wenn alle anderen 12h/Tag und 7 Tage/ Woche lernen, ich aber noch trainiere und an Wettkämpfen teilnehme, kommt so etwas erst gar nicht in Frage. Oder…..vielleicht….vielleicht doch? Keine 48h später saß ich im Zug nach Frankfurt, von wo wir mit dem Auto fuhren – mit Laptop auf dem Schoß und Buch im Rucksack.
Von der Bieler Höhe führte uns der Weg zur Wiesbadener Hütte. Dort schon im Dunkeln angekommen und sehr freundlich empfangen, ging es bald in die Schlafsäcke, um am Morgen das wohl bekannteste Ziel der Silvretta anzusteuern – den Großen Piz Buin (3312m).
Der Aufstieg über den Normalweg verlief problemlos, allerdings war es trotz Sonne empfindlich kalt. Die Schlüsselstelle – Kamin im 2. Grad – war angeschneit, aber selbst für unseren Freund, der bisher nur 1-2 Mal in den Alpen war (aber fit und koordiniert ist), gut zu gehen. Auf dem Gipfel waren wir alleine und genossen kurzzeitige Windstille, danach ging es auf demselben Weg – und bei klasse Fernsicht – zurück. Im Kamin seilten wir ab; weniger weil es notwendig war, sondern vielmehr um es zu üben.
Später versuchten wir noch den etwas schwierigeren Kleinen Buin. Überwanden die Randkluft und stiegen ein Stück über einen steilen Schneefeld empor. Die fortgeschrittene Tageszeit und –erwärmung mit konsekutivem Steinschlag sowie keine sichtbare logische Aufstiegslinie (falsche Bergseite 🙂 ) überzeugten uns aber schnell, dass es keine gute Idee war. Vorsichtig und sichernd ging es zurück zum Sattel und bei bestem Wetter runter zur Hütte. Unterwegs warfen wir auch einen Blick zum morgigen Gipfel – der Dreiländerspitze – und er sah sehr verlockend aus!
Über endlose Moränen und später über Eis ging es am nächsten Tag bei nicht wirklich sommerlichen Temperaturen dem Westgrat der Dreiländerspitze entgegen. Es folgte eine Partie im angeschneiten und vereisten Fels, die etwas Konzentration verlangte. Zuletzt kam die Kür – im festen, rauen und griffigen Fels stiegen wir in der inzwischen wärmenden Sonne über luftige letzte Meter Grat auf den unnahbar wirkenden Gipfel. Er war übrigens auch der erste in meiner Erfahrung, an dem ich mich während der Essenspause sicherte….
Der Gipfel war aber nur ein Teil des Plans. Genauso wie zwei Polen vor uns, wollten wir auf der anderen Seite absteigen und wenn es technisch und zeitlich funktioniert, den Grat weiter gehen.
Bereits die ersten Schritte vom Gipfel erforderten Konzentration und wir halfen unserem weniger routiniertem Kollegen mit dem Seil nach. Der dritte aus der Gruppe, erfahrener Kletterer, kraxelte sicher und schnell frei ab – doch plötzlich griff auch er ins Seil. Ich, gerade weiter oben sichernd, wunderte mich und ahnte, dass es gleich Überraschungen geben wird. Und diese kamen – in Form einer ein paar Meter hohen Verschneidung, in der man allerdings nicht ausrutschen durfte. Eine Viertelstunde lang probierte ich verschiedene Positionen aus, bevor die Füße den Boden erreichten. Wir einigen uns auf eine niedrige IV als Bewertung, mit Bergschuhen und im freien Abstieg schon ein kleines Abenteuer.
Die nächste Überraschung ließ auf sich auch nicht warten – die Felsqualität wurde immer schlechter. Inzwischen war klar, dass wir zeitlich nicht viel schaffen (entweder man geht den Grat frei oder gibt ihn auf) und von der ersten Scharte absteigen werden, da mussten wir aber erst mal hin und hatten eine senkrechte Stufe vor uns. Mit etwas Glück fand sich im brüchigen Haufen doch ein fester Stein zum abseilen und schon sausten wir abwärts, dafür blieben eine Bandschlinge und ein Karabiner am Berg.
Es folgte ein zwar unbequem zu gehender, aber nicht mehr ausgesetzter Abschnitt im verschneiten Geröll und bald waren wir wieder auf dem Gletscher. Entspannt ging es dem Ende der Tour entgegen, wobei die Moränen zum Schluss doch noch ein wenig ärgerten. An der Hütte genossen wir den restlichen Tag bei Kuchen und Getränken – es könnte einem auch schlechter gehen! In dieser Zeit zog der Himmel zu und wir freuten uns, das kleine Schönwetterfenster optimal ausgenutzt zu haben.
Am nächsten Morgen stiegen wir im Nebel zur Bieler Höhe ab. Herbst lag plötzlich in der Luft, warm schimmerten Farben durch den Morgendunst, ein paar Regentropfen fielen auf die Jacken. Nun war der Sommer endgültig vorbei, sowohl für die Berge, als auch für mich. Wunderbarer Trip, schöne Gipfel, richtige Entscheidung!