15.-16.09.2012
„Alle guten Dinge sind drei“ – dachten wir, als wir mal wieder in Richtung der Zugspitze aufbrachen. Bereits zwei Mal standen wir auf dem Gipfel mit dem Plan, den Jubiläumsgrat zu gehen, jedoch machte uns beide Male das Wetter den Strich durch die Rechnung. Diesmal schien alles perfekt und trotz September sprach auch das Wetter nicht dagegen, bis….ja, „bis“. Zwei Tage vor der Abreise schneite es bis in die tiefen Lagen und wir packten Eispickel und Gamaschen ein.
Um für etwas Abwechslung zu sorgen, wählten wir diesmal den Anstieg über den „Stöpselzieher“ – einen einfachen Klettersteig durch die unnahbar wirkende westliche Seite. Die Bahn brachte uns über Nacht nach Ehrwald und obwohl man bereits die winterlichen Verhältnisse oben erahnen konnten, stiegen wir in die Route ein.
Üppig gesichert, einfach und schnell zu gehen, aber auch entsprechend steil wird dieser Aufstiegsweg. Die geringe Aufstiegszeit wird durch konstante Anstrengung gekauft, wobei sich das Gelände nur wenig ändert. Da die Kaltfront gerade abzog, die Wolkenschicht immer weiter aufriss und der frischer Schnee an Winter erinnerte, ließ sich der Aufstieg gut ertragen. Ein besonderes Highlight war dabei der Westgrat zum Schluss – vielleicht ein Vorgeschmack auf den Jubi?
Als wir in der morgendämmerung die Hütte verließen, standen bereits gefühlt Hunderte Seilbahntouristen mit schussbereiten Kameras wie am roten Teppich und warteten auf den Sonnenaufgang. Es war auch ohne Zweifel einer der schönsten Morgen, die ich in den Bergen je erlebt habe. Leichte Wolkendecke über den Tälern, alle Abstufungen der Rosa- und Blautöne über den angezuckerten Bergen. Traumhafte Stimmung, die sich langsam von der kalten violett-blauen in die weiche goldrote verwandelte.
Als wir den Grat sahen, verschlug es mir den Atem. Da darf ich gleich hin!!! Weiß und elegant schlängelte er sich durch den Morgen, eine genauso schöne wie logische Linie zum Begehen. Vor uns waren bereits zwei Personen unterwegs, mit zwei weiteren starteten wir nahezu gleichzeitig.
Doch leider haben wir es nicht weit geschafft. Bereits die erste, nur etwa zwei Meter hohe Steilstufe bereitete uns im angeschneit-vereisten Zustand Schwierigkeiten, die sich auch auf den weiteren Weg übertragen ließen. Außerdem war das Gehen surch den 40cm dicken, das Relief zwar bedeckenden, nicht tragfähigen, aber bestens rutschenden Pulverschnee alles andere als spaßig. Sowohl wir, als auch die mit uns Gestarteten drehten um.
Was machen wir jetzt? Für mich war das gar keine Frage: Der Höllentalsteig schrie nach Fußspuren und sah ebenfalls phantastisch aus. Deswegen richtiete ich zielsicher meine Schritte dahin. Dass wir gestern Abend etwas ganz anderes vereinbart hatten, habe ich vollkommen verdrängt und steuerte das Höllental mit solcher Sicherheit an, dass mein Partner gar nichts sagte…
Der Abstieg war traumhaft. Erst als wir den Einstieg in den Klettersteig erreichte und auf den Gletscher aussteigen wollten, wurde es weniger schön – gut 20 Minuten warteten wir 5m über dem Schnee bis uns eine gute Seele am Stahlseil abklettern ließ. Die anderen wollten einer nach dem anderen hoch, hingen aber teilweise minutenlang hilflos auf den ersten Metern.
Kurz vor der Höllentalangerhütte trennten sich die Wege: Während mein Partner dem Schnitzel entgegensteuerte, nahm ich den Abzweig zur Riffelspitze. Parallel zu mir war ein Trailäufer unterwegs, der uns bereits beim Höllentalabstieg überholt hatte. Jetzt war sein Laufstil aber etwas verdächtig und wie erwartet nahm er dankbar das von mir angebotene Wasser an.
Von der Riffelscharte kraxelte ich kurz zum Gipfel und zurück und beeilte mich ins Tal. Trotzdem war der Tag inzwischen weit fortgeschritten und damit es mit der Bahn nicht zu eng wird, legte ich die letzten 700hm im Laufschritt zurück. Auf der Bushaltestelle angekommen – bis Garmisch-Partenkirchen wären noch 6km zu gehen – sah ich den vermeintlich letzten Bus abfahren. Die auf der Haltestelle Anwesenden lachten – offenbar konnte man mir die Enttäuschung gut anmerken. In wenigen Minuten kam der richtige Bus und ich fiel, auf einmal bleischwer, in den weichen Sitz.
Die Joggingrunde mit Gepäck bescherte mir einen XXL-Muskelkater und noch eine Woche lang konnte ich mich weder setzen noch aus der Sitzposition erheben. Arbeitskollegen lachten, ich flüchte und mein Partner meldete, dass es ihm auch ähnlich ging. Dafür fühlten wir uns lebendig, das Lächeln verließ nicht die Lippen und die Augen leuchteten – und zwar weitaus länger als der Muskelkater anhielt.